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SCB-Manager Marc Lüthi ist altersmilde geworden – eigentlich schade

VR-Praesident SCB, Marc Luethi, 4. v.l und Martin Pluess, Sportdirektor SCB, rechts im siebten Eishockey Playoff Viertelfinalspiel der National League zwischen dem SC Bern dem HC Fribourg-Gotteron, am ...
Marc Lüthi musste das Ausscheiden gegen Fribourg von der Loge aus mitansehen.Bild: keystone
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SCB-Manager Marc Lüthi ist altersmilde geworden – das ist eigentlich schade

Der SCB scheitert unter Trainer Jussi Tapola zum zweiten Mal hintereinander im 7. Viertelfinalspiel. Das 1:4 gegen Gottéron ist die bitterste Niederlage seit dem verlorenen 7. Finalspiel von 2012. Verliert der SCB in der längsten Krise seit dem Wiederaufstieg still und leise auch seine Identität?
27.03.2025, 05:1127.03.2025, 13:24
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Eine Entwicklung, an deren Ende die nächste Meisterfeier stehen kann, ist jäh unterbrochen worden. Oder ist sie gar zu Ende? Die Romantik des «Remember 2013» – der Erinnerungen an den SCB, der im Frühjahr 2013 nach einer 1:3-Rücklage im Viertelfinal noch Meister geworden ist – verflüchtigt wie ein Morgennebel über der Aare.

Jussi Tapola, der grosse Bandengeneral, eben noch verglichen mit Scotty Bowman, ist von Lars Leuenberger ausgecoacht worden. Zum fünften Mal in Serie fehlt der SCB im Halbfinale. Das hat es seit dem Wiederaufstieg von 1986 am grünen Tisch noch nie gegeben. Der SCB steht in der längsten Krise seit der Rückkehr in die höchste Liga. In einer Phase der hartnäckigen Stagnation. Das Scheitern ist inzwischen so alltäglich geworden, dass das keiner mehr in der ganzen Tragweite erfasst.

Head Coach Jussi Tapola (SCB) ,rechts, gratuliert Head Coach Lars Leuenberger (HCFG) ,links, nach dem siebten Eishockey Playoff Viertelfinalspiel der National League zwischen dem SC Bern dem HC Fribou ...
SCB-Trainer Jussi Tapola gratuliert Fribourgs Coach Lars Leuenberger zum Weiterkommen.Bild: keystone

Die Fans hatten vergeblich mehrmals in Sprechchören gefordert: «Mir wey gseh üse SCB.» Sie haben den wahren, den urigen, den echten, den wilden, den «bösen», den einschüchternden SCB im wichtigsten Spiel der Saison nicht gesehen. Schon nach zehn Minuten ist klar, dass Gottéron diese Partie gewinnen wird. Die Berner spielen wie im August. Ohne Intensität. Nahezu ganz fehlen Geradlinigkeit, Härte, Wasserverdrängung, Entschlossenheit, Wucht, Tempo. Die Qualitäten, die es ermöglicht haben, einen 1:3-Rückstand in der Serie aufzuholen und das 7. Spiel zu erzwingen.

An welchen Schrauben drehen?

Wie kann das sein? Jussi Tapola sucht keine Ausreden. Er stellt fest, dass Gottéron das Spiel 4:1 gewonnen hat und anerkennt die Leistung der gegnerischen Mannschaft. Er sagt, möglicherweise seien seine Männer im Bemühen, Strafen zu vermeiden, gehemmt gewesen. Weil man nicht so richtig wusste, was die Schiedsrichter tolerieren. Und ja, es sei eine der bittersten Niederlagen seiner Trainer-Karriere.

Obersportchef Martin Plüss steht Rede und Antwort. Ruhig, klug und besonnen. Er sieht über den Tag dieser Niederlage und dieser Enttäuschung hinaus das grosse Bild. Es geht ihm um eine Entwicklung: Wie können die Leistungen stabiler werden, wie das Fundament solider? Er hat im Laufe der Saison eine positive Entwicklung gesehen. An deren Ende, wenn sie so weitergeht, ja tatsächlich ein Titelgewinn stehen kann.

Martin Plüss sagt, er hätte sich bei einem Weiterkommen in den Halbfinal die gleichen Fragen gestellt wie nun nach dem Ausscheiden: «Was müssen wir tun, um besser und konstanter zu werden? An welchen Schrauben drehen?»

Für ihn steht ausser Frage, dass Jussi Tapola diese Entwicklung weiterführen wird. Der Finne hat sowieso einen Vertrag bis zum Ende der nächsten Saison.

Martin Pluess, Sportdirektor SCB, spricht waehrend der Saison-Medienkonferenz des SCB, am Montag, 26. August 2024. (KEYSTONE/Peter Klaunzer)
Wird sich Gedanken über die SCB-Zukunft machen müssen: Martin Plüss.Bild: keystone

Diese vernünftigen Töne nach einem im SCB-Selbstverständnis eigentlich unverzeihlichen Scheitern sind hochinteressant.

Wie Bayern München

Früher, als sich General Manager Marc Lüthi noch in den Sport eingemischt und impulsiv Personalentscheide über die Köpfe der Sportabteilung gefällt und Trainer auch mal unmittelbar nach einem Spiel «standrechtlich» gefeuert hat, wäre Jussi Tapola seinen Job los gewesen. Aus dem einfachen Grund, weil er nun zum zweiten Mal im Viertelfinale gescheitert ist.

Der wahre Marc Lüthi hat den Sport immer vom Resultat her beurteilt. Weil der wahre SCB seinem Anhang Resultate schuldig ist. Wie Bayern München.

Der CEO des SC Bern, Marc Luethi, spricht an einer Medienkonferenz des SCB zu sportlichen Themen und Umstrukturierungen am Mittwoch, 30. Maerz 2022 in der Postfinance Arena in Bern. (KEYSTONE/Marcel B ...
Früher hat sich SCB-Manager Marc Lüthi stärker in die sportlichen Belange eingemischt.Bild: keystone

Aber Marc Lüthi ist altersmilde geworden. Wenn sein Obersportchef Martin Plüss das «System Tapola» weiterführen will, dann mischt er sich (noch) nicht ein. Wie im richtigen Leben gibt es halt immer hundert Gründe, etwas nicht zu tun, eine einschneidende Entscheidung vor sich herzuschieben. Statt ein polterndes «Fertig! So nicht!» vom obersten Chef ist das Motto nun von seinen Untergebenen: «Es ist doch gar nicht so schlimm. Weiter so!»

Bundesamt für Eishockey

Ist das noch der wahre, der urige, der echte, der wilde, der «böse», der einschüchternde und letztlich immer wieder erfolgreiche SCB? Nein, wir erleben gerade einen Kulturwandel. Weg vom konsequenten Resultatdenken und hin zu Geduld und Entwicklung. Oder boshaft: von der arroganten Titelmaschine hin zum Bundesamt für Eishockey. Was durchaus zur Frage führen kann: Verliert der SCB still und leise seine Identität?

Martin Plüss betont, wie wichtig eine stabile Basis sei. Aber das grösste Problem hat er beim Fundament: bei den Torhütern. Der SCB hat das grösste Goalieproblem seiner Geschichte. Das sieht Jussi Tapola zwar nicht so und hat für Adam Reideborn das Wort «great» parat.

Torhueter Adam Reideborn (SCB) im vierten Eishockey Playoff Viertelfinalspiel der National League zwischen dem HC Fribourg Gotteron und dem SC Bern, am Donnerstag, 20. Maerz 2025 in der BCF Arena in F ...
Adam Reideborn vermag im SCB-Tor nicht zu überzeugen.Bild: keystone

Aber das ist reiner Selbstbetrug. In der Torhüterfrage ist der Kaiser beim SCB nackt: Alle sehen, dass Adam Reideborn der schwächste ausländische Goalie der Liga ist. Aber keiner wagt es zu sagen.

Philip Wüthrich wechselt nach Ambri und der SCB hat – Stand heute – auf der Torhüterposition einen ausländischen Lottergoalie und die zwei Talente Andri Henauer und Christof von Burg. Beide noch ohne Erfahrung in der höchsten Liga. Der SCB hat – Stand heute – das schwächste Goalie-Duo der Liga. Die Saisonanalyse beginnt und endet mit der Torhüterfrage. Erst, wenn dieses Problem gelöst ist, kann an anderen Schrauben gedreht werden.

Auf dem Schweizer Markt gibt es keine Nummer 1. Das beste Angebot wäre der bei Kloten nicht mehr erwünschte Sandro Zurkirchen, der diese Saison in der Qualifikation besser war als Adam Reideborn. Eigentlich bleibt dem SCB nur eine unkonventionelle Lösung: Ein zweiter, aber viel besserer ausländischer Goalie neben Adam Reideborn, der einen Vertrag bis Ende nächster Saison hat.

Torhueter Philip Wuethrich (SCB) ist enttaeuscht im siebten Playoff Viertefinal Spiel der Eishockey National League zwischen SC Bern, SCB, und Fribourg-Gotteron, HCFG, vom Mittwoch, 26. Maerz 2025 in  ...
Philip Wüthrich machte gestern gegen Fribourg sein vorerst letztes Spiel für den SCB – er wechselt nach Ambri.Bild: keystone

Martin Plüss lässt sich in der Goaliefrage nicht provozieren. Immerhin schliesst er eine doppelte ausländische Lösung nicht aus.

Die Schocktherapie

Die Frage ist auch zu klären, ob Jussi Tapola zu viel Macht hat. Die sportliche Abteilung hat ihr Sinnen und Trachten auf den finnischen Trainer ausgerichtet. Das ist im Erfolg wunderbar und bequem. Aber im Misserfolg – und dieses Scheitern gegen Gottéron muss im SCB-Selbstverständnis ein Misserfolg sein – ist diese Ausrichtung zu hinterfragen.

Wie alle grossen Bandengeneräle neigt auch Jussi Tapola zu biblischem Führungsstil: «Wer nicht mit mir ist, der ist wider mich; und wer nicht mit mir sammelt, der zerstreut.» Dominik Kahun ist diesem Führungsstil zum Opfer gefallen und just vor Transferschluss nach Lausanne transferiert worden. Nun ist Dominik Kahun bei Lausanne der beste Skorer der laufenden Playoffs.

Dominik Kahun (LHC), lors du cinquieme match des Play-off des quarts de finale du championnat suisse de hockey sur glace de National League, entre Lausanne HC et SCL Tigers le vendredi 21 mars 2025 a  ...
Dominik Kahun stürmt nun erfolgreich für Lausanne.Bild: keystone

Die Mannschaft wird nächste Saison qualitativ ungefähr gleich gut sein. Kaisertransfers sind keine mehr möglich, höchstens dieses oder jenes Tauschgeschäft, wenn nach der Saison alle ihre Analysen gemacht haben. Am meisten Spielraum gibt es auf den Ausländerpositionen.

Am meisten Wirkung hätte natürlich eine Schocktherapie. Ein System-, Kultur- und Trainerwechsel. Weg vom skandinavischen Ausreden-, Entwicklungs- und Schablonenhockey. Zurück zum urigen, wilden, unberechenbaren, emotionalen, rauen nordamerikanischen Stil, der eigentlich der SCB-DNA besser entspricht. Interessant ist ja in diesem Zusammenhang, dass auch die ZSC Lions dem skandinavischen Hockey abgeschworen haben.

Aber Marc Lüthi ist altersmilde geworden. Das ist eigentlich schade.

PS: Am Donnerstagabend können die SCB-Frauen Meister werden. Ohne jede Boshaftigkeit dürfen wir sagen: In der grün-roten politischen Landschaft und Gesellschaft der Stadt Bern kommt es eigentlich besser an, wenn die Frauen statt der Männer Eishockey-Meister werden.

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90 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Znuk
27.03.2025 08:40registriert März 2014
Leuenbergers süffisantes, leichtes Lächeln auf den Stockzähnen nach dem Schlusspfiff war das eigentliche Highlight des gestrigen Hockeyabends. Ihm mag ich dieses Weiterkommen von Herzen gönnen!

Er, der mit Herzblut bei Biel und Olten gute Arbeit geleistet hat und zweimal schlecht belohnt wurde. In Biel kam Törmänen zurück und in Olten meinte man, es liegt am Trainer. Alles Gute Lars!
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Berner67
27.03.2025 06:09registriert Februar 2015
Hallo Chlöisu. Lasse einmal die Borhmaschine auf Hochtouren laufen und bohre nach, was genau im 2. Spiel in Fribourg zwischen Austin Czarnik, Jussi Tapola und Marc Lüthi gelaufen ist. Wurde dort Austin Czarnik nach einem Eklat spediert? Frage für einen Freund.
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Dr no
27.03.2025 08:25registriert Mai 2018
Bern ist einfach nicht gut genug. Wo waren die Schweizer Leader ? Scherwey, schläft beim Goal von Rathgeb, wo Untersander ? hält die Scheibe so lange bis er sie vertändelt. und die Ausländer ? Hardy ist ein Risikofaktor an der blauen Linie, Edsell einfach nur gross und gstabig. So wird das noch lange nichts mit Meistertitel. PS: Berra war besser als Wüthrich, lieber Klaus. Wenn man schon auf grosse und schwere Spieler setzt, dann müssen sie es auch krachen lassen. sonst sind sie nur ein gstabiges Ärgernis.
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